Fallout: New Vegas (Namco Bandai Games) geschrieben von Witali Blum
| ||||||||||||||||||
Seit dem letzten DLC für "Fallout 3" sind einige Monate vergangen und viele Fans haben voller Ungeduld auf eine Fortsetzung der Endzeit-Serie gewartet. Das Ausharren hat ein Ende: Mit "New Vegas" schicken die Entwickler von "Obsidian Entertainment" den Spieler auf eine Reise in die zwar unwirtliche, aber dennoch weniger verstrahlte Mojave-Wüste, wo unzählige Quests darauf warten, gelöst zu werden. Lesen Sie im folgenden Review, welche Änderungen oder Verbesserungen im Spiel anzutreffen sind, die das Erlebnis "Fallout" noch interessanter machen, als es ohnehin schon im Vorgänger der Fall war. Das Glück ist eine launische Geliebte Während die Abenteuer von "Fallout 3" mit der Geburt des Protagonisten ihren Anfang nehmen, beginnt "New Vegas" paradoxerweise mit einem Zwischenfall, der beinahe zu seinem Tod führt. Fast wie im Kinostreifen "Kill Bill" schickt ein Kopfschuss den Helden vermeintlich in die ewigen Jagdgründe, nachdem er vorher sein eigenes Grab hat schaufeln müssen. Zum Glück verziehen sich die unbekannten Täter schnell vom Schauplatz des Geschehens, so dass ein freundlicher Roboter den Schwerverletzten rechtzeitig ausgraben und in die nächstgelegene Klinik schaffen kann. Dank fortschrittlicher Medizintechnologie bewahrt ein unscheinbarer Dorfarzt seinen Patienten vor dem sicheren Tod, doch das Trauma durch die Schusswaffe bleibt nicht folgenlos. Die Spielfigur verliert ihr Gedächtnis und muss ihre Fähigkeiten neu entdecken. Die Rehabilitationsmaßnahmen dauern nicht lange, denn der hilfreiche Doktor kann die ersten Charakterwerte durch ein simples psychologisches Auditing bestimmen, während eine Maschine, die stark einem Zigarettenautomaten ähnelt, die körperlichen Eigenschaften festlegt. Schließlich verschafft die plastische Chirurgie dem Helden ein nahezu makelloses Aussehen. Nicht einmal eine Narbe bleibt zur Erinnerung an die unfreiwillige Nahtoderfahrung erhalten. Getrieben von Rachedurst begibt sich der Held auf die Suche nach ersten Hinweisen, die ihn zu seinen Peinigern führen sollen. Allerdings ist das Ödland der Mojave-Wüste sehr groß und birgt viele Gefahren, denen unerfahrene Reisende, unter anderen der Held, häufig zum Opfer fallen. Die ortsansässige Rangerin, Sunny Smiles, erklärt sich bereit, den Neuankömmling von ihrer Erfahrung im Überlebenskampf profitieren zu lassen. Dafür muss er sie bei ihrer Aufgabe unterstützen, die wilde Fauna des Ödlands von den Wasserquellen der Stadt fernzuhalten. Nach dieser Mission bekommt der Held es mit entflohenen Sträflingen, die sich "die Pulverbanditen" nennen, zu tun und darf seine erste moralische Entscheidung treffen: schlägt er sich auf die Seite der scheinbar übermächtigen Verbrecher oder hilft er den friedliebenden Dorfbewohnern. Je weiter der Protagonist auf seiner Verfolgungsjagd voranschreitet, desto mehr verwickelt er sich in die Konflikte zwischen den unterschiedlichen Gruppierungen der postnuklearen Nachkriegszeit. Die größten Streithähne sind dabei ohne Zweifel die demokratisch orientierte "Nord-Kalifornische-Republik" (NKR) sowie das autoritäre Regime von "Caesar's Legion", das sich nach dem römischen Militärsystem organisiert. Nicht immer fällt es leicht, zu entscheiden, wer auf der Seite des Guten oder des Bösen steht, da in schwierigen Zeiten viele Individuen mit schwachem Charakter sich am Leid anderer Personen zu bereichern versuchen sowohl Demo- als auch Autokraten. Showdown in der Wüste "Fallout: New Vegas" spielt in einer düsteren Zukunft etwa 200 Jahre nach einem Atomkrieg, den die Menschheit dank unterirdischer Bunkeranlagen gerade so überlebt hat. Doch der Fallout hat Spuren hinterlassen. Die Flora und Fauna hat sich der stark radioaktiven Strahlung angepasst. Viele mutierte Abscheulichkeiten, wie RAD-Skorpione, Riesenameisen oder Feuer speiende Geckos, durchstreifen das Ödland auf der Suche nach leichter Beute wie achtlosen Wanderern. Statt sich zusammenzureißen und gemeinsam die vormals blühende Zivilisation erneut aufzubauen, haben die Überlebenden des Krieges nichts Besseres zu tun, als ihre Differenzen abermals mit Waffengewalt auszutragen. Banden von Gesetzlosen, scheinheiligen Faschisten, riesigen Mutanten und zombieähnlichen Strahlungsopfern gesellen sich zu den Gegnern, die das Leben der Spielfigur bedrohen. Im Gegensatz zu "Fallout 3" erscheint die Landschaft von "New Vegas" jedoch viel angenehmer, denn anscheinend haben nur wenige Atomraketen die Mojave-Wüste getroffen. Es gibt viel weniger Gebiete mit lebensbedrohlichem Strahlungsniveau, der Himmel hat eine blaue Farbe und vielerorts ist das Wasser trinkbar, ohne den Körper von innen durch Kernzerfallsreaktionen zu gefährden. Sogar frische, unbelastete Lebensmittel sind gelegentlich zu finden. Das sind alles gute Voraussetzungen, um den neuen Hardcore-Spielmodus des Titels auszuprobieren, bei dem der Protagonist regelmäßig essen, trinken und schlafen muss. Die Ego-Perspektive des Vorgängers sowie die Spielmechanik actionlastiges Ballern oder taktisches Agieren im zeitlupenähnlichen V.A.T.S.-Modus sind zu hundert Prozent übernommen worden, so dass Fallout-3-Veteranen sich gleich heimisch fühlen werden. Neulinge kommen mit dem Spiel aber auch gut zurecht, weil zu Spielbeginn ein Tutorial ihnen unter die Arme greift. Was hat sich nun geändert? Die ernüchternde Antwort auf diese Frage lautet: leider nicht viel. Natürlich ist das Arsenal des Spielers um einige bemerkenswerte Schieß- sowie Schlagprügel erweitert, viele Munitionstypen und Ausrüstungsgegenstände sind hinzugefügt, ebenso wie unzählige Quests implementiert worden. Doch alle diese Dinge hat die Community bisher auch selbst mit dem kostenlosen Editor "G.E.C.K." als Modifikationen von "Fallout 3" herstellen können. Wirklich neu sind nur einige Gegnertypen, wie beispielsweise die echsenähnlichen Geckos sowie die Zugehörigkeit zu Fraktionen, die viele Missionen spannender macht, weil es schwieriger ist, seine Ziele zu erfüllen, ohne dabei irgendjemandem auf die Zehen zu treten. Außerdem ist es immer wieder eine Freude, Nichtspielercharaktere zu beobachten, die mal zur Abwechslung sich gegenseitig bekämpfen und nicht alle auf den Spieler losgehen. Selbstverständlich spielt "New Vegas" in einem anderen Gebiet der USA, doch wirklich innovativ macht das den Titel nicht. Man merkt kaum, dass auch ehemalige Mitarbeiter von "Black Isle", dem Entwicklerstudio der ersten beiden "Fallout"-Spiele, am Projekt mitgewirkt haben. Wenn man "New Vegas" als eine Art Mega-Add-on betrachtet, dann haben die Entwickler trotzdem gute Arbeit geleistet. In einer riesigen Spielumgebung warten sehr viele logisch zusammenhängende Missionen darauf, vom Spieler gelöst zu werden. Dabei sind die Aufträge auf viele Arten erfolgreich abzuschließen. Wenn beispielsweise eine Zielperson ausgeschaltet werden muss, kann man natürlich mit rauchenden Kanonen in das feindliche Lager stürmen und dort jeden umnieten, der ins Fadenkreuz gerät. Verständlicherweise wollen die Mitglieder der angegriffenen Fraktion mit dem Protagonisten keine Geschäfte mehr machen beziehungsweise greifen ihn nächstes Mal bei Sichtweite an. Viel geschickter agieren Helden, die sich verkleidet ins besagte Lager schleichen und der Zielperson eine scharfe Bombe unter den Hintern legen, die anschließend aus großer Ferne über Funk gezündet wird. Die Taten des Spielers haben nicht nur Auswirkungen auf das Finale des Titels, sondern sind oftmals gleich spürbar. Viele Nichtspielercharaktere behandeln edelmütige Helden mit Respekt und berichten einander von den Wohltaten des Protagonisten. Unholde dagegen treffen verständlicherweise auf Misstrauen sowie Angst. Trotz des Shooter-ähnlichen Spielprinzips wird auf diese Weise eine gute Rollenspielatmosphäre erzeugt. Leider sind die im Spiel anzutreffenden Weggefährten eher ungeeignet für das beschriebene taktvolle Vorgehen, weil sie schlichtweg außer Stande sind, erfolgreich zu schleichen oder einfache Befehle wie "Abstand halten" oder "Distanzwaffen verwenden" auf Dauer zu befolgen. Selbst der im Nahkampf eher unbedarfte Scharfschütze, Craig Boone, stürmt bei Feindkontakt wie ein Selbstmordbomber auf den Gegner zu, bewaffnet mit einer läppischen Machete, anstatt der Order zu gehorchen, Ziele aus weiter Ferne mit seinem Jagdgewehr auszuschalten. Zum Glück können die unbeholfenen Begleiter nur im Hardcore-Modus sterben und werden dementsprechend auf allen anderen Schwierigkeitsstufen zu Recht als Kanonenfutter missbraucht. Schleichprofis sollten also auf Gefährten verzichten, zumindest bis ein geeigneter Patch ihr Verhalten repariert hat. Der wunde Punkt von "New Vegas" ist im Grunde der gleiche wie der von "Fallout 3" die zahlreichen Programmfehler. Vor allem geskriptete Ereignisse, die sehr häufig während der Missionen verwendet werden, besitzen die dumme Eigenart, einen Absturz des Spiels zu erzeugen, so dass man gut angeraten ist, alle fünf Minuten die Schnellspeicher-Taste zu betätigen. Während die Entwickler beim Vorgänger in der finalen "Game of the Year"-Edition dieses Problem größtenteils im Griff hatten, sieht es aus, als ob beim aktuellen Titel Fehlersuche und Reparatur wieder von Neuem beginnen. Äußerst fehlerbehaftet ist auch das integrierte Minispiel "Karawane", das eine Mischung aus "Blackjack" und "Maumau" zu sein scheint. Entweder kann man keine Karten ablegen, oder die computergesteuerten Mitspieler setzen kein Geld. Sicherlich hätte es niemanden gestört, wenn Obsidian Entertainment dieses Feature komplett weggelassen hätte, anstatt es in einem zweifelhaften Zustand einzubauen, nur um das Las-Vegas-Gefühl zu erzwingen. Zusätzlich beschweren sich viele Spieler darüber, dass "Fallout: New Vegas" eine Bindung zu einem Steam-Account erfordert. Diese Art von Kopierschutz macht es schwierig, eine ungeschnittene Importversion des Spiels zu nutzen, wie sie beispielsweise in Österreich erhältlich ist. Es ist schon traurig, dass man als Erwachsener in Deutschland praktisch gezwungen wird, Maßnahmen aus der rechtlichen Grauzone zu verwenden, um den vollen optischen Umfang des Titels nutzen zu können. Schließlich sollte noch erwähnt werden, dass in "New Vegas" errungene Trophäen, die man zum Beispiel für das Erlegen einer bestimmter Anzahl an Gegnern erhält, dem Charakter permanente Boni gewähren, die künftigen Kämpfe einfacher gestalten. Saloonmusik mit Tanzeinlage Da "Fallout: New Vegas" dieselbe veraltete Engine benutzt wie sein Vorgänger, wirkt es nicht mehr zeitgemäß und weist dieselben grafischen Schwächen auf. Dazu zählen unter anderem Ladeverzögerungen für hoch aufgelöste Texturen und falsche Kollisionsabfragen, die Objekte sowie Nichtspielercharaktere im Boden versinken lassen oder es dem Spieler ermöglichen, durch Wände zu gehen. Die letztgenannten Effekte passieren übrigens nicht zufällig, sondern sind im Programm geografisch fest lokalisiert also wiederholt reproduzierbar. Dennoch wirkt der neue Ableger der Fallout-Serie schöner, farbenfroher und sogar etwas weicher gerendert als sein Vorgänger. Die Schauplätze sind einfallsreich und mit viel Liebe zum Detail gestaltet worden, so dass man den Entwicklern keine Arbeitsscheu zum Vorwurf machen kann. Leider besteht der Großteil der Nichtspielercharaktere immer noch aus Klonkriegern, die sich lediglich durch ihre Kleidung sowie Ausrüstung unterscheiden. Ein besonderes Ärgernis betrifft vor allem deutsche Spieler, denn wie erwartet erscheint der Titel hierzulande in einer stark beschnittenen Fassung. Selbst die größten Maschinengewehre verursachen bei Feinden keinen einzigen blutenden Kratzer, sondern bewirken, dass sie nach dem Beschuss wie reglose Puppen auf dem Boden liegen. Statt Gewaltverherrlichung bekommt man viel Gewaltverharmlosung. Na, ob das besser ist? Dafür haben die Entwickler sich bemüht, die deutsche Synchronisation qualitativ hochwertig anzugehen, indem sie jeden Dialog auch die unwichtigen Mitteilungen von irrelevanten Charakteren vertont haben, so dass man im Grunde auf Untertitel jeglicher Art verzichten kann. Die Soundeffekte sind wie beim Vorgänger authentisch und passen gut zu ihren Verursachern, wie beispielsweise den Schusswaffen. "Fallout: New Vegas" ist leider nicht der offizielle Nachfolger von "Fallout 3", denn dazu ist der Titel seinem Vorgänger sowohl im positiven als auch negativen Sinne viel zu ähnlich. Es wäre daher besser, das Programm als ein eigenständiges Add-on einzustufen, das allerdings durch seinen umfangreichen Inhalt sehr viele Kritikpunkte verschmerzen lässt. Es macht einfach viel Spaß, unzählige Quests, die in eine spannende Hintergrundgeschichte verpackt sind, zu lösen und dabei wertvolle Erfahrung sowie Ausrüstungsgegenstände hinzuzugewinnen. Fans von Endzeit-Szenarien, die bereits an "Fallout 3" Gefallen gefunden hatten, werden auch vom Nachfolger vermutlich stark angetan sein. Wenn die Entwickler noch die grafischen Probleme, wie etwa die durchsichtigen Wände, beheben, steht einer Kaufempfehlung nichts im Weg. Ich persönlich freue mich schon auf die nächsten einfallsreichen DLCs der Entwickler, die das Programm um weitere spannende Abenteuer sowie futuristische Objekte erweitern. (11.11.2010)
|