Harry Potter und der Feuerkelch (Electronic Arts) Geschrieben von Carlos Carvalho
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Seit Joanne Rowling 1997 ihr erstes Buch "Harry Potter und der Stein der Weisen" veröffentlichte, verließ der Name des jungen Magiers nicht mehr die Gedanken von Kindern und Erwachsenen auf der ganzen Welt. Dieses Jahr erschien das sechste Buch "Harry Potter und der Halbblutprinz", der einen weltweiten Verkaufsrekord brach und sich während der ersten Stunden weltweit etwa 105 Mal pro Sekunde verkaufte. Diesen November öffneten auch Kinobesitzer ihre Türen für Fans und zeigten den Film zum vierten Buch "Harry Potter und der Feuerkelch". Zeitgleich zu den Kinofilmen von Warner Brothers Studios bringt Electronic Arts seit 2001 die Computerspiele zum entsprechenden Buch. Die Geschichte der Harry Potter-Spiele ist in dem Sinne interessant, als dass das Adventure jedes Jahr mehr Freiheiten bekommt, beispielsweise durch geringere Linearität und mehr Stockwerke von Hogwarts, die zur freien Erkundung zur Verfügung gestellt werden. Doch dieses Jahr entschied sich Electronic Arts, in eine andere Richtung zu gehen: die des Jump and Runs. Vorsicht: Spoiler! Seine Sommerferien verbringt Harry Potter dieses Jahr nicht bei seinen Verwandten, sondern bei der Weasley-Familie. Harry nutzt auch die Chance aus, das Endspiel der Weltmeisterschaft im Quidditch mitzuerleben, die nach vielen Jahren wieder in Großbritannien stattfindet. Leider greifen wenigen Minuten nach Ende des Spiels Todesser das Zeltlager an, in dem Harry, Hermine und die Weasley-Familie sich befinden und setzen nach begangener Tat ein dunkles Mal in den Himmel über der Region. Harry schafft es, vorm Feind ohne große Verletzungen zu flüchten und stellt kurz nach Ankunft auf der Magierschule Hogwarts fest, dass auch dort ein Turnier veranstaltet wird: das trimagische Turnier. Der beste Schüler aus Hogwarts, die osteuropäische Schule Dumstrang und das französische Internat Beauxbaton duellieren sich in drei Aufgaben. Aufgrund der Gefährlichkeit des Turniers gibt es jedoch eine neue Regel: Jeder Bewerber muss mindestens 17 Jahre alt sein. Welche Überraschung für Schüler und Lehrer, als ein vierter Name aus dem Feuerkelch erscheint: Der 14-jährige Harry Potter soll ebenfalls am Turnier teilnehmen. Zum Glück für ihn möchte Mad Eye Moody, der neue Lehrer für Verteidigung gegen die dunklen Künste, ihm helfen. Die erste Aufgabe, die Harry und die anderen drei Schüler einzeln erledigen müssen, ist, ein goldenes Ei, das von einem feuerspuckenden Drachen geschützt wird, einzusammeln. Doch als Harry sein Glück versucht, schafft es der Drache, seine Ketten zu zerstören und Harry muss auf seinem Besen Feuerblitz fliehen. Das goldene Ei, das Harry am Ende doch bekommt, ist ein Hinweis für die zweite Aufgabe, doch der Hinweis lässt sich erst im Badezimmer des fünften Stockwerkes entschlüsseln. Die zweite Aufgabe, das Retten eines Schatzes von den Meerjungfrauen, verläuft ebenfalls nicht problemfrei: Kleine Tintenfischwesen greifen Harry während des Turniers an. Als letzte Aufgabe müssen die vier Schüler den Turnierpokal innerhalb eines enormen und sich verändernden Labyrinths finden. Doch als Harry und sein Mitschüler Cedric diesen gemeinsam anfassen, werden sie zum alten Gebäude der Familie Riddle teleportiert, wo sie die Auferstehung von Lord Voldemort machtlos mitansehen müssen. Insgesamt wird die Geschichte im Spiel nur sehr stichpunktartig erzählt, auch im Film erfährt man nur eine gekürzte Fassung der Handlung des Buches. Gameplay Das Spiel fängt nach dem Ende des Quidditch-Spiels an, die Todesser sorgen für Aufruhr im Zeltlager. Ron, Hermine und Harry Potter müssen zum Portschlüssel rennen, während Arthur Weasley die drei wichtigen Kinder beschützt. In wessen Haut man steckt, muss man vorher auswählen: Bis auf die Levels des Turniers sind immer die drei Freunde wählbar. Auf der Flucht hat man die Möglichkeit, sich erstmal mit der Steuerung vertraut zu machen. Vergebens bewegt man die Maus, wer kein Gamepad besitzt, bewegt seinen Charakter mit den Cursortasten. Die Tasten für die Zaubersprüche sind ebenfalls festgelegt und werden schon bei diesem ersten Level erklärt. Drückt man X, so spricht man einen Fluch aus. Dabei ist die Dauer des Drückens wichtig, viele schnelle Flüche betäuben Gegner, hält man die Taste gedrückt, sammelt man die Energie, um einen heftigen Fluch auszusprechen. Die zweite Spruchtaste ist C, womit man einen Zauberspruch verwendet, insgesamt vier Sprüche werden durch diese Taste belegt: Wingardium Leviosa hebt Monster oder Objekte in die Luft, sind diese sehr schwer, dann helfen die beiden anderen Hogwarts-Schüler mit. Mit Carpe Retractum fängt man Objekte und zieht diese zu sich, praktisch, um schwere Tore zu öffnen. Aqua Eructo löscht Brände durch eine Wasserfontäne aus dem Zauberstab des Magieanwenders. Zuletzt ein Spruch, den man erst in den späteren Levels des Spiels lernt: Herbivicus fördert das Wachstum von Pflanzen oder das Öffnen von Knospen. Abhängig davon, welches Objekt bzw. welches Monster man gerade anvisiert, wird der entsprechende Zauberspruch verwendet, wenn man auf die Taste drückt. Das entsprechende Objekt wird durch eine kleine leuchtende Kugel darüber kenntlich gemacht, visiert man den falschen Gegenstand an, muss man sich bewegen, um das Richtige zu markieren bzw. zu verzaubern. Mit der dritten Taste, Y, spricht man den Zauberspruch Accio aus, mit dem man Belohnungen zu sich zieht. Die Belohnungen haben die Form von Heiltränken, trimagischen Schildern oder den aus den früheren Spielen bekannten Zauberbohnen. Mit den Zauberbohnen kann der Spieler zwischen Levels Karten für die jeweiligen Charaktere kaufen, die nicht nur ein schönes Motiv aus dem Film abgebildet haben, sondern eine Wirkung verursachen, wenn diese im Abenteuer der drei Freunde mitgenommen werden. Jeder der drei Jugendlichen darf maximal drei Karten bei sich haben, die eine Verstärkung der unterschiedlichen Zaubersprüche bewirken können oder eine neue Art von Flüchen sein können, zum Beispiel einen Doppelfluch. Es gibt auch Charakter-Karten, die allgemeinere Wirkungen haben, wie das Heilen des Spielers, wenn er nah an einem seiner Freunde steht. Die trimagischen Schilde benötigt man, um andere Levels betreten zu können. Diese gibt es in normaler Größe, die das Speichern auf der Stelle bewirken, oder in einer Miniform, bei der zehn kleine Schilde ein normales ergeben. Eine weitere Belohnung sind die ebenfalls aus früheren Spielen bekannten Schokofrösche. Diese hoppeln fröhlich durch die Gegend, fängt man einen, bekommt der Spieler ein Extraleben. Weitere Belohnungen bekommt man, wenn man kleinere Aufgaben in den verschiedenen Levels erledigt. Der letzte Spruch, Magicus Extremus, wird durch Drücken der Taste S aktiviert und gibt den drei Freunden für eine kurze Zeitspanne erhöhte Zauberkraft. Besitzt man mehrere Controller und kennt mehrere Potter-Fans im Umkreis, kann man maximal zu dritt dieses Jump and Run an einem Rechner spielen. Dabei schaut man die meiste Zeit von oben schräg auf die Spieler hinab. Die Kamera dreht sich jedoch häufig zu anderen Perspektiven, oft ohne Vorwarnung oder sichtbaren Grund. Leider lässt sich die Kameraposition oder Perspektive nicht ändern, so bleibt dem Spieler nur das vorgegebene Feld sichtbar, obwohl die gesamte Welt dreidimensional dargestellt wird. Ebenso vorgegeben ist der Weg, den Harry, Ron und Hermine laufen müssen. Die verschiedenen Szenarien sind komplett linear, wobei man diese verlässt, wenn man einen trimagischen Schild aufsammelt. Dann kehrt man in dem Fall zurück zum Denkarium, aus dem alle Levels geladen werden, und fängt den Level nochmal an, um weitere Schilde zu suchen, Bohnen aufzufangen und dieselben Monster, die man gerade erledigt hat, noch einmal niederzuschlagen. Kennt man keine Fans der Buchserie in der Nachbarschaft, werden die nicht gewählten Spieler von der künstlichen Intelligenz geführt. Zwar reicht diese vollkommen aus, um dem Spieler relativ nah nachzulaufen oder Kombizaubersprüche auszusprechen, indem zum Beispiel ein Spieler ein Monster hochhebt und ein zweiter dieses verflucht, leider stehen die anderen Charaktere jedoch oft im Weg oder handeln einfach nicht, obwohl man in eine Schlacht verwickelt ist. Zugegeben, die KI soll die Intelligenz der 14-jährigen Jugendlichen widerspiegeln, aber man hat oft den Eindruck, ein 12-jähriger würde deutlich klüger und geschickter handeln. Schlecht umgesetzt ist das Erscheinen von Monstern, diese tauchen einfach plötzlich im Spielgeschehen auf, in manchen Fällen in einer unendlichen Anzahl. Insgesamt zehn Szenarien werden nach und nach freigeschaltet, angefangen bei Mad Eye Moody's Tutorial bis zum Kampf gegen Voldemort. Grafik War die Bedienung noch kein ausreichender Hinweis darauf, dass "Harry Potter und der Feuerkelch" ebenfalls für die bekanntesten Konsolen erschienen ist, dann wird das bei der Grafik ganz deutlich. Hier hat sich Entwickler und Publisher Electronic Arts für den niedrigsten möglichen Nenner entschieden und stellt keine Verbesserungen zur Verfügung. Das Spiel läuft fest auf einer Auflösung von 800x600 Pixel, es sind keine Optionen zu Antialiasing oder sonstigen grafischen Einstellungen im Spiel zu finden. Dadurch sehen die Schüler Hogwarts' zwar von weitem wie ihre menschlichen Gegenstücke aus, aus der Nähe wirken diese aber recht klobig und pixelig. Für diese Verhältnisse sind aber Bewegungen gut gelungen, magische Zaubersprüche sehen auch durchaus fantastisch aus und man merkt in den Texturen viel Liebe zum Detail. Keine Ecke der Welt sieht steril aus, wie man es aus manchen anderen Spielen kennt, dafür wirken aber die Bohnen durch ihre sehr schrillen und unnatürlichen Farben komplett deplatziert. Sound Die musikalische Untermalung passt sehr gut zum Spiel. Die Hintergrundmusik ist nie besonders störend, Hintergrundgeräusche geben das Gebiet wieder, in dem man sich gerade befindet. Alle Stimmen reden klar und deutlich, man kann aber im Optionenmenü zusätzlich Untertitel einblenden lassen. Schade ist es, dass nicht bei jedem Zauberspruch gesprochen wird, was man gerade zaubert, sondern scheinbar zufällig entschieden wird, wann es ausgesprochen werden soll. Auf Dauer nervig ist nur das Gestöhne der drei Charaktere beim Zaubern von Carpe Retractum auf Hebebrücken oder verschlossenen Toren. Während Electronic Arts mit den Adventures Harry Potter I bis III ein erwachseneres Publikum anvisierte, das die Innenräume und verschiedene Etagen der Schule Hogwarts erkunden wollte, ist die Zielgruppe von "Harry Potter und der Feuerkelch" eindeutig die Gruppe der jüngeren Fans der Bücher. Das sehr lineare und unkomplizierte Jump and Run spielt man in zehn bis 15 Stunden durch, abhängig davon, ob man jedes Objekt aufsammeln möchte oder nicht. Weil das durchaus spaßige Spiel in so kurzer Zeit zu schaffen ist, finde ich den Preis von 50 Euro in Anbetracht des negativen Eindrucks bei der Grafik und der schlechten Kameraführung eindeutig zu hoch. Den treuesten Fans von Harry Potter empfehle ich ein paar Monate zu warten, bis sich der Preis mindestens halbiert hat. Wer ein gutes Geschenk für Weihnachten sucht, sollte woanders fündig werden. (30.11.2005)
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