Eternal Sonata (Xbox 360) (Atari) geschrieben von Carlos Carvalho
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Wenn man im Review eines Videospiels über die Musik schreibt, dann sind meistens Ausdrücke wie "passend zur Atmosphäre", "subtil" oder "wiederholungsreich" in den Texten zu finden. In manchen Fällen wird sogar empfohlen, die Musik auszuschalten, da sie aus irgendeinem Grund zu sehr vom Spielgeschehen ablenkt. Nur in Ausnahmefällen nimmt die Musik eine übergeordnete Rolle innerhalb des Spiels ein, anstatt nur die Atmosphäre zu unterstützen. Die bekannteste dieser Ausnahmen ist sicherlich "Loom", ein LucasArts-Adventure von 1990, das Musik für die Lösung der meisten Rätsel verwendete. "Eternal Sonata" ist ebenso eine Ausnahme in diesem Bereich, denn hier wurde die Musik als Basis verwendet und ein Spiel um sie herum aufgebaut. Besonders interessant ist die Tatsache, dass dieses Spiel von einem japanischen Studio entwickelt worden ist, von einem amerikanischen Publisher vermarktet wird und die Musik des polnischen Pianisten Chopin verwendet. Die Mischung der drei sehr unterschiedlichen Kulturen verspricht, ein abwechslungsreiches Erlebnis zu liefern. Die Story In "Eternal Sonata" werden zwei Geschichten gleichzeitig erzählt: Auf der einen Seite sieht man Chopin, der tuberkulosekrank im Bett liegt, umgeben von zwei Frauen und einem Arzt. Der Spieler hat allerdings keinen Einfluss auf diesen Teil der Story. Die zweite Geschichte spielt in einer Fantasiewelt, einem Fiebertraum des Komponisten. In dieser Welt bekommen kranke, dem Tod geweihte Menschen magische Kräfte. Das führt allerdings dazu, dass Zauberer diskriminiert werden, weil andere Angst haben, infiziert zu werden. Die einzigen Gesprächspartner sind andere todkranke Menschen, die ebenfalls über magische Kräfte verfügen. Das ist eine Parallele zum Leben von Chopin auf Mallorca, wo er aufgrund seiner Tuberkuloseerkrankung von den "gesunden" Menschen der Gesellschaft gemieden und aus Angst vor einer Infektion sogar regelrecht ausgegrenzt wurde. Als Ausgleich für die normalen, gesunden Personen gibt es verschiedene Pulver. Die Hauptfigur des Spiels, Polka, verkauft welche, basierend auf Pflanzenextrakten, doch die neueren Pulver, basierend auf Mineralien, werden vom Herrscher des Landes nicht versteuert und sind deshalb viel billiger zu bekommen. Polka macht sich mit Frederik, Chopins Charakter in dieser Traumwelt, auf den Weg zum Schloss des Grafen, um ihn zu bitten, auch die Blütenpulver von den hohen Steuern zu befreien. Auf dem Weg treffen sie weitere Charaktere, die sie in ihre Gruppe aufnehmen; jeder mit anderen magischen Fähigkeiten. Sie treffen aber auch auf Menschen, die das mineralische Pulver missbraucht haben und sich in willenlose Monster verwandelten. Man lernt also während des gesamten Abenteuers eine vollkommen neue Fantasiewelt kennen, mit einer bösen Regierung und einem geheimen Widerstand, Menschen mit magischen Kräften und großen Armeen willenloser Krieger. Leider bekommt "Eternal Sonata" an dieser Stelle einen Minuspunkt für die Originalität, denn diese Konzepte wurden mittlerweile längst zu Tode geritten, am bekanntesten in den "Star Wars"-Filmen. Das Kampfsystem Die Fantasiewelt ist voller feindlich gesinnter Kreaturen. Um vorwärts zu kommen, muss der Spieler sich darum durch ganze Horden von Monstern und Tieren kämpfen. Jeder Charakter muss hochgespielt werden, denn man kämpft während des Abenteuers gegen immer schwierigere Monster. Dafür bekommt man nach jedem Kampf Gold, Erfahrung und mit etwas Glück einen Gegenstand oder zwei. Nach einer bestimmten Menge an Erfahrung steigen die Figuren auf und erhalten mehr Lebens-, Angriffs-, Verteidigungs- und Geschwindigkeitspunkte, die automatisch verteilt werden. Da Kreaturen wieder erscheinen, wenn man etwas zurückläuft, bietet sich oft "grinding" an, also das häufige Wiederholen leichter Kämpfe, um schneller auf eine höhere Stufe zu kommen. Bei Erreichen bestimmter Levels bekommen die Charaktere auch unterschiedliche neue magische Fähigkeiten, die sie im nächsten Kampf einsetzen können. Die Kämpfe selbst laufen rundenweise ab, wobei jede einzelne Runde zeitlich eng begrenzt ist. Hier wurde ein neues Konzept eingebracht: der Gruppenlevel. Drei Charaktere können gleichzeitig an einem Kampf teilnehmen und erhöhen dementsprechend parallel ihre Erfahrungsstufe. Die Summe der Stufen der Figuren erhöht aber auch den Gruppenlevel, was im Endeffekt das Schadenspotenzial für die gesamte Gruppe darstellt. Im niedrigsten Gruppenlevel hat man vor dem Kampf unendlich viel Zeit, um sich eine Taktik auszudenken und die Uhr tickt nur dann weiter, wenn man sich tatsächlich bewegt. Bei späteren Gruppenlevels läuft die Uhr ab der ersten Bewegung des Spielers weiter, die Zeit vor dem Kampf wird ebenfalls begrenzt und die Anzahl an Sekunden wird immer kürzer. Diese Regelung dient offensichtlich als Ausgleich für die immer stärker werdenden Angriffe der Charaktere. Jeder Charakter kann sich während seiner Runde bewegen und einen normalen Angriff ausführen, wobei es vom Charakter, beziehungsweise von der Distanz zum Gegner, abhängig ist, ob Nah- oder Fernkampfwaffen verwendet werden. Man kann aber auch seine magischen Fähigkeiten einsetzen, die von Charakter zu Charakter unterschiedliche Wirkungen haben. Schließlich darf man während seiner Runde eines der Pulver oder ähnliche kleinere Objekte verwenden, zum Beispiel, um sich selbst zu heilen. Während magische Attacken als ein Angriff zählen, führen sie eine Vielzahl von Bewegungen aus, die mehrmals den Gegner treffen können. Zusätzlich lassen sie sich aufpumpen, indem eine größere Anzahl Treffer im normalen Kampf erzielt werden. So kann man Angriffe erreichen, die mit doppelter oder dreifacher Wirkung ausgeführt werden. Der Zähler für die normalen Treffer gilt für die gesamte Gruppe, man kann also mit einem Charakter nur angreifen und mit dem nächsten in der Reihe einen gewaltigen magischen Angriff ausführen. Ein weiteres Merkmal des Kampfsystems ist die Verwendung von Licht und Schatten für die Auswahl von magischen Angriffen. Befindet sich die Figur im Schatten, hat man eine Reihe von Zaubern zur Auswahl, bewegt sie sich aber auf einem hell erleuchteten Bereich der Kampfkarte, sind andere Sprüche verfügbar. Man kann nur außerhalb der Kämpfe bestimmen, wer mit welchen Gegenständen ausgerüstet werden soll und aus der großen Liste an magischen Angriffen wählen, welche während des Kampfes einsetzbar sein sollen. Das führt zu einem starken taktischen Denken vonseiten des Spielers, um die Kräfte der drei Kämpfer so gut wie möglich einzusetzen. Die Integration von Musik im Spiel Sowohl Chopin als auch Musik allgemein haben, wie oben geschrieben, die Basis für "Eternal Sonata" gebildet. Fast alle Orts- und Charakternamen haben eine musikalische Bedeutung, wie zum Beispiel die Hauptcharaktere "Polka", ihre zwei neuen Freunde "Allegretto" und "Beat" oder der Graf "Waltz". Weiterhin spielen viele Details von "Eternal Sonata" auf Ereignisse und besuchte Orte in Chopins Leben an. Zwischen Kapiteln in der Geschichte wechselt "Eternal Sonata" sogar für ein paar Minuten zu einem rein didaktischen Spiel. Eine bekannte Komposition des Pianisten wird von dem russischen Chopin-Experten Stanislav Bunin gespielt, während man Fotos aus verschiedenen Städten und Ländern sieht und eine Erklärung bekommt, wie das abgespielte Stück zustande kam. So bekommt man rückwirkend auch eine Erklärung für das zu Ende gespielte Kapitel. Als Beispiel: im ersten Kapitel regnet es fast die ganze Zeit. Das erlebte Chopin in Valldeformosa auf Mallorca im Winter von 1838-1839 und komponierte das berühmte Prélude, Op. 28 Nr. 15 mit dem Namen "Regentropfen". Die Stimmung des Spielers wird also darauf vorbereitet und man genießt während der Kapitelpausen die abgespielten Stücke umso mehr. Hier ist eine Zusammenarbeit zwischen dem Entwicklerstudio und der Frederick-Chopin-Society in Warschau feststellbar, da ein sehr hohes Niveau an historischer Genauigkeit erwünscht war. Die Musik von Chopin ist allerdings nur in diesen Pausen zu hören, sonst wird man begleitet von den Werken von Motoi Sakuraba, einem bekannten Komponisten im Bereich japanischer Videospiele. Die Grafik Das japanische Studio tri-Crescendo entschied sich bei seinem ersten wirklich großen Werk für einen Anime-Look. Mittels fortschrittlicher Computertechniken bekommt man eine komplett dreidimensionale Welt zu sehen, jedoch verliert man an keiner Stelle das Gefühl, ein Anime anzuschauen. Die Farben der Charaktere sind perfekt angepasst an die, die man aus den Fernsehserien und Kinofilmen kennt. Die Hintergründe haben sehr kräftige Farben und erinnern an impressionistische Bilder mit vielen starken Kontrasten, ohne aber unrealistisch zu erscheinen. Die Kleidung der Charaktere deutet auf die romantische Periode der Lebenszeit von Chopin hin, mit viel Rüschen und Schmuck. Besonders auffällig sind die enormen Schuhe der Charaktere, die leider gelegentlich vom Rest der Grafik ablenken. Die Bekleidung sieht insgesamt sehr schön aus und wird auf zukünftigen Conventions sicherlich oft genug von Cosplayern getragen werden. Nicht vorhandene Lokalisierung Bei einem Spiel mit Anime-Design sind eigentlich auch japanische Stimmen wünschenswert. Atari sparte nicht an dieser Stelle und besetzte alle Rollen mit berühmten Darstellern wie Fumiko Orikasa (Rukia Kuchiki in Bleach), Takahiro Sakurai (Sasori in Naruto Shippuuden), Yu Asakawa (Motoko Aoyama in Love Hina), Chafurin (Inspector Megure in Detective Conan), Katsuyuki Konishi (Haji in Blood+) oder Aya Hirano (Misa Amane in Death Note) und vielen anderen. Als zweite Auswahlmöglichkeit hat man Englisch, mit in Amerika ebenfalls bekannten Schauspielern, die aber in Deutschland fast unbekannt sind. Die schauspielerische Leistung der japanischen Redner in "Eternal Sonata" ist jedoch wesentlich besser als die ihrer amerikanischen Kollegen, man lässt also am besten das gesamte Spiel auf Japanisch laufen und sich von den englischen Untertiteln nicht besonders stören.
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