Myst V - End of Ages (Ubisoft) geschrieben von Johannes Posch
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Das Ende beginnt hier! Komplexe Rätsel und eine noch viel komplexere Story. Wovon ist hier wohl die Rede? Richtig, einem Adventure! Und was für einem! Denn der fünfte Teil der erfolgreichen Myst-Serie ist vor kurzem bei den hiesigen Händlern gelandet und lädt ein, sich ein letztes Mal in eine mysteriöse Welt voller Hindernisse und schwieriger Aufgaben zu werfen. Also liebe Gehirnakrobaten: Weiterlesen, Meinung bilden und dann höchstwahrscheinlich ab zum nächsten Software-Händler eures Vertrauens. All jene, die mit diesem Genre allerdings noch nie etwas am Hut hatten, aber überlegen den Einstieg zu wagen, sollten ebenfalls unbedingt weiterlesen, sonst könnte man die Entscheidung bereuen. Was? Wer? Warum? Hä?! Kenner der Serie fühlen sich sofort heimisch: Der Schauplatz, an dem euer Abenteuer beginnt, ist altbekannt und auch viele Figuren, die im Spiel vorkommen, werden euch aller Wahrscheinlichkeit nach schon ein Begriff sein. Wenn ihr in Teil Fünf der Myst-Serie allerdings zum ersten Mal Bekanntschaft mit den D'ni macht, werdet ihr nach den nächsten Zeilen wahrscheinlich genau so verwirrt sein wie zu Beginn des Spiels. Denn die Tochter des Schöpfers Atrus, Yeesha, ist an ihrer Bürde gescheitert und gibt die Tafel, welche einst ihr gehörte, an den Spieler weiter. Doch obwohl sie euch eindringlich klar macht, ihr niemals die Tafel zurückzugeben, scheint sie alles andere als glücklich zu sein, dass sie nun nicht mehr ihr Eigentum ist. Aber Yeesha ist nicht der einzige Wegbegleiter, den ihr treffen werdet. Ein mysteriöser Fremder mit Namen Esher taucht immer wieder auf und hilft euch auf eurem Weg. Doch warum? Welche Interessen verfolgt er? Will er euch wirklich nur helfen oder hat er seine ganz eigenen Pläne mit der Macht dieses mysteriösen Werkzeuges? Wenn ihr jetzt verwirrt eine Augenbraue hochzieht und eigentlich keine Ahnung habt, wovon hier die Rede war, sei euch eines gesagt: Keine Sorge, Kenner der Serie sind zwar offensichtlich im Vorteil, wenn es um das Verstehen der Geschichte geht, doch auch ohne Vorkenntnisse entwickelt sich um euch bald eine spannende, verständliche Story, die es schafft, euch lange an den Monitor zu fesseln. Point and WASD ... Bringt "Myst V - End of Ages" die große Revolution, die das tot geglaubte Genre der Adventures wieder zu neuem Leben erweckt? Leider nein. Zwar haben sich die Entwickler so einiges Neues ausgedacht, um ein wenig frischen Wind in die Serie zu bringen, doch am generellen Ablauf hat sich absolut nichts geändert. Noch immer streift ihr durch starre und nahezu leblose Welten, die zwar durch eine beeindruckende Architektur betören, aber in keiner Weise über den staubtrockenen Spielablauf hinwegtäuschen können. Prinzipiell arbeitet ihr euch von einer futuristischen Maschinerie zur nächsten und versucht, die nötigen Teile des gigantischen Puzzles zusammenzusetzen. Dabei verschlägt es euch in sechs unterschiedliche Welten, die sich alle voneinander unterscheiden. Ihr verbringt zum Beispiel einige Stunden auf einer sonnigen Insel mitsamt strahlend blauem Wasser, werft von einem wenig einladenden Felsbrocken im All einen Blick in die Sterne oder kämpft euch durch eine frostige Eiswelt. Leider seid ihr in diesen Örtlichkeiten meist mutterseelenallein unterwegs. Hier und da steht zwar irgendwo ein kleines Tierchen herum oder es fliegen kurz Fledermäuse durchs Bild, aber im Endeffekt wirken alle Welten sehr steril und irgendwie tot. Dies schafft eine ganz eigene, beklemmende und einsame Stimmung, die dem Spieler schnell die Lust nehmen kann, sich weiter umzusehen. Einige Änderungen gibt es allerdings schon. So müsst ihr viele der Rätsel nun unter Zeitdruck absolvieren, was heißen will, dass einige Schalter, die von euch zum Fortkommen betätigt werden müssen, eine Art Zeitschaltuhr eingebaut haben. Seid ihr zu langsam, dürft ihr von vorne beginnen, was zeitweise sehr frustrierend sein kann. Doch es gibt eine weitere Neuerung, die diese Passagen ein wenig einfacher macht: drei verschiedene Steuerungsmodi. Ihr könnt euch nun in den Optionen entscheiden, ob ihr das Spiel mit der genretypischen Point-and-Click-Steuerung durchleben wollt, wie in einem Egoshooter per WASD durch die Levels spurtet oder ein "Klassische Steuerung Plus"-System verwendet. "Klassische Steuerung Plus" bedeutet, dass ihr euch zwar nach wie vor durch Klicks fortbewegt, euch allerdings jederzeit frei umsehen könnt. Welche Art der Spielbedienung man aber auch auswählt, jede funktioniert einwandfrei und sollte jedem Zocker eine angenehme Steuerung ermöglichen. Zum Spiel selbst sei eine Sache von Anfang an klargestellt: Wenn ihr Rätseleinlagen in so manchem Actionspiel als eine echte Herausforderung empfunden habt, dann stellt "Myst V" für euch wahrscheinlich eine Art Doktorarbeit dar. Zu Beginn des Spiels hält sich der Schwierigkeitsgrad zwar eher in Grenzen, da ihr eigentlich immer den einen oder anderen Tipp von Esher bekommt, doch bald schnellt die Anspruchskurve der Rätsel steil nach oben und das Spiel verlangt das Hochfahren sämtlicher Gehirnzellen. Da wollen komplexe Schalterrätsel gelöst, verzwickte Mechanismen durchschaut oder die richtigen Wege gefunden werden. Zum Glück lassen euch die Entwickler aber nicht hilflos im Regen stehen, sondern geben euch im Hauptmenü jederzeit die Möglichkeit, online Hilfe einzuholen, die euch hoffentlich den nötigen Denkanstoß gibt, um weiterzukommen. Es gibt aber noch mehr kleine Neuerungen zu vermelden: Die Entwickler haben eine Art Zeichensystem in das Spiel eingebaut. Dieses wird dazu verwendet, mit den "Dienern", eine an Aliens erinnernde Rasse, Kontakt aufzunehmen und ihnen Befehle zu geben. Das passiert durch einfache Symbole, die ihr per Maus auf Steinplatten zeichnen könnt. Danach müsst ihr die Tafel irgendwo ablegen und euch ein wenig entfernen. Habt ihr das getan, huscht einer dieser Diener herbei, wirft einen Blick auf die Selbige und, sollte er das Zeichen kennen (sprich: habt ihr das Richtige gemalt), nimmt er sie mit und hilft euch. Etwa dadurch dass er kurzzeitig einen kleinen Sturm auslöst der euch, sofern ihr ihn im rechten Moment auslöst, hilfreich sein kann. Oder er öffnet euch Portale, durch die ihr euch an Orte zu beamen könnt, die vorher nicht erreichbar waren. Mehr wird an dieser Stelle aber nicht verraten, sonst macht das Rätseln ja keinen Spaß. Einige Elemente wurden dagegen komplett aus den früheren Teilen übernommen. So wurde das Speichersystem beibehalten, was heißt, dass ihr euch darum eigentlich keinerlei Sorgen zu machen braucht. Das Spiel speichert nämlich bei jedem Fortschritt von ganz allein. Auch wurde wieder das praktische Journal eingebaut, in dem ihr zu jeder Welt auf Wunsch einige Notizen machen könnt. Das ist vor allem dann hilfreich, wenn ihr zwischen den verschiedenen Welten hin und her springt. Wisst ihr also nicht mehr genau, was es in dieser Welt eigentlich zu tun gab, einfach kurz ins Journal schauen und schon habt ihr euren roten Faden wieder gefunden. Wenn ihr euch nun fragt: "Man kann zwischen den Welten hin und her springen? Heißt das etwa, dass es mehrere Lösungswege gibt und ich nicht mehr nur zur rechten Zeit das rechte Rätsel lösen muss?" Die ernüchternde Antwort: leider nein. Es gibt zwar verschiedene Enden, doch welches man nun wirklich sieht, entscheidet sich einzig und allein in den letzten Spielmomenten. Vorher müsst ihr wie gehabt immer die eine einzige, von den Programmierern vorgegebene Lösung finden, um im Spiel voranzukommen. Grafik Myst V - End of Ages ist vollständig in 3D gehalten, was zwar zum einen solche Neuerungen wie die WASD-Steuerung ermöglicht hat, andererseits das Spiel im direkten Vergleich mit den Vorgängern und ihren vorgerenderten Hintergründen einiges an optischer Opulenz einbüßen ließ. Die Levels sind zwar wie schon zuvor erwähnt durch eindrucksvolle Konstrukte eigentlich ganz nett anzusehen, wirken aber sehr steril und die viel zu selten eingestreuten Tiere können daran leider auch nichts ändern. Die Charaktere hinterlassen ebenfalls einen zwiespältigen Eindruck. So baumelt ihre Kleidung zwar physikalisch korrekt an ihren meist flüssig animierten Körpern und sie wurden mit einigen Details geschmückt, aber die Gesichter wirken recht unnatürlich. Auch wurde auf sämtliche in letzter Zeit so populär gewordenen Features wie Bump-Mapping oder andere Shader-Spielereien verzichtet, was das Spiel im Vergleich mit aktuellen Technikgranaten sehr platt wirken lässt. Sound Soundtechnisch macht "Myst V - End of Ages" dagegen wirklich alles richtig! Die fremdartige Musikuntermalung ist stimmig und schafft es, eine passende Atmosphäre zu kreieren. Auch bei den Soundeffekten wurde aus den Vollen geschöpft. Durch den einwandfrei abgemischten Surround-Sound donnern kleine Erdbeben bassgewaltig aus den Boxen und man hört auch das leiseste Rieseln des Staubs. Auch die Synchronisierungsabteilung hat einen erstklassigen Job gemacht. Sämtliche Textzeilen im Spiel (und das sind bei Gott nicht wenige) wurden vollständig in Deutsch aufgenommen und von überzeugenden Akteuren gesprochen. "Myst V - End of Ages" ist zwar zweifelsohne ein gutes Adventure geworden, allerdings werden meiner Meinung nach nur Freunde der Vorgänger wirklich Spaß mit diesem Stück Rätselkost haben. Zu trocken ist die Präsentation, zu langsam der Spielablauf, zu unspektakulär die Grafik. Wer HL² oder GTR zu seinen Lieblingsspielen zählt und eigentlich nie wirklich andere Genres gespielt hat, sollte also tunlichst die Finger vom letzten Teil der Myst-Serie lassen und sich, so er denn wirklich den ersten vorsichtigen Schritt in Richtung Adventures gehen will, erst einmal "Fahrenheit" genauer ansehen. Damit werdet ihr höchstwahrscheinlich um einiges mehr Spaß haben. Wer allerdings ein eingefleischter Rätsel-Freak ist, der wird sich ohnehin nicht durch meine Kritik vom Kauf abbringen lassen. Das sollte er auch nicht, denn "Myst V" ist trotz allem zweifelsohne ein würdiger Abschluss der Serie, der sogar noch ein paar neue Ideen einbringen kann. (12.10.2005) |