Penumbra: Black Plague (Paradox Interactive) geschrieben von Bernd Wolffgramm
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Beim letzten Mal, als Philipp, der Protagonist des Ego-Horror-Adventures aus dem vergangen Jahr "Penumbra: Overture" gesehen wurde, ging er in einem unterirdischen Unterschlupf K.O. Dieser Cliffhanger war so ziemlich der einzig nervende Moment im Erstlingswerk der Softwareschmiede Frictional Games. Den schwedischen Entwicklern war es gelungen, eine ausgewogene Mischung aus düsterer Umgebung und kniffligen Rätseln in eine reale Umgebung einzubetten und so eine der Überraschungen des letzten Jahres zu präsentieren. Mit "Penumbra: Black Plague" ist nun der zweite und letzte Teil des Abenteuers erschienen, in dem einiges anders ist, als man das von klassischen Adventures gewohnt ist. Am Anfang herrscht ein wenig Verwirrung Ein Brief von seinem Vater führt Philipp in eine mysteriöse und unheimliche Geschichte in einem Untergrundkomplex. Zu Beginn des Spiels ist irgendwie alles unklar, es scheint so, also ob Philipp dem Spieler einen Brief schreibt, in dem er ihn bittet, ihn doch aus seiner misslichen Lage zu befreien. Dieser Bitte kann sich der Spieler natürlich nicht entziehen, denn das Point & Click-Adventure wird aus der Ego-Perspektive gespielt und so fühlt sich der Spieler dem Helden gleich verbunden. Aber er ist mit seiner "Handpuppe" nicht allein, plötzlich meldet sich jemand namens Clarence ... und es scheint so, also ob er aus dem Inneren von Philipp spricht. Es kommt etwas Licht in die Sache Wie schon in "Penumbra: Overture" ist das Hervorstechende in diesem Spiel das ausgezeichnete umwelt- und physikbezogene Design. Die Geschichte eines jungen Mannes, der sich in einem unterirdischen Komplex in Grönland gegen alle Widrigkeiten, wie pestinfizierte Feinde und einen Virus in sich, durchsetzen und in unwegsamem Gelände zurechtfinden muss, erinnert stark an die Geschichten eines H. P. Lovecraft. Wie bei Lovecraft ist die ganze Geschichte fesselnd schaurig und mysteriös verworren. Dennoch verzichtet "Penumbra: Black Plague" auf den ganzen Nonsens, dem andere Adventures häufig unterliegen; es gibt keine Fantasiewelt mit unglaubwürdigen Gegenständen und Rätseln, alles, was in diesem Spiel dargestellt wird, könnte wirklich so passiert sein. Na ja, die infizierten Feinde, die aussehen wie Zombies mit Taschenlampe, gibt es vermutlich in keinem Biologie-Lehrbuch, aber der kleine Ausrutscher in die Horrorwelt sei verziehen. Die ganze Handlung ist akkurat an das Design gebunden. Es gibt keine Pixeljagd nach Minigegenständen in weitläufigen Karten, die für die Lösung eines Rätsels benötigt werden. Alles ist zum Greifen nahe. Natürlich muss man immer noch Gegenstände finden und sie mit anderen kombinieren, aber es wird nicht verlangt, dass man einer Katze, die vier Bildschirme weiter hinter einer Brücke an der Biegung eines Wegs sitzt, mit einem Klebestreifen ein paar Haare entreißt, um damit einen Schnurrbart zu basteln, der nötig ist, um in eine mexikanische Bar zu gelangen. In "Penumbra: Black Plague" kommt der Held nur an Hindernisse, die auch wirklich Sinn ergeben - wie zum Beispiel einen Geröllberg, der einen Tunnel verstopft - und er überwindet den Steinberg dann mit seinen natürlichen Möglichkeiten, zum Beispiel stapelt er ein paar Kisten zu einer Treppe zusammen oder schiebt einige größere Brocken aus dem Weg. Jede Bewegung, die Philipp macht, und jede Aktion, die er auf seinem Weg durch den geheimnisvollen Untergrund durchführt, werden in Bewegungen modelliert, die auch in der Realität existieren. Um in einer Schublade nachzusehen, muss man mit der Maus am Griff "anfassen" und die Lade mit einer ziehenden Mausbewegung öffnen. Es reicht also nicht aus - wie in anderen Spielen üblich - einfach auf die Schublade zu doppelklicken, um sie zu öffnen. Von diesen Greif- und Zieh- beziehungsweise Schiebbewegungen gibt es im Spiel sehr viele. Es müssen Türen geöffnet, Latten über brüchige Wegstellen gelegt oder Hebel umgelegt werden, ganz zu schweigen von jeder Menge Fässer und Kisten, die herumgetragen und umarrangiert werden müssen, damit zum Beispiel eine noch aktive Lasersperre einer Alarmanlage überwunden werden kann. Dabei ist der ganze Körper von Philipp zu beachten, damit er nicht etwa an einen Tisch stößt und durch den Krach der umfallenden Gegenstände daraufhin Feinde angelockt werden. In diesem Spiel befindet sich also keine unförmige Masse hinter der Waffe, wie zum Beispiel in fast allen Ego-Shootern; hier hat der Held eine echte körperliche Präsenz. Der letzte Schritt wäre es nun gewesen, dem Charakter eine echte Greifhand zu geben, das haben die Entwickler aber nicht getan. Wann immer eine greifende Bewegung ausgeführt werden kann und muss, wechselt der Mauszeiger auf das Greifen-Symbol, das natürlich als Minihand dargestellt wird. Weil der Charakter manchmal auch wirklich weit ausladende Aktionen durchführen muss, zum Beispiel, um einen Stein mehrmals in einen Getränkeautomaten zu hämmern, gibt es einen Interaktionsmodus, bei dem sich der Restkörper nicht mitbewegt. Das Umschalten ist zwar etwas lästig, unterstützt aber den Realitätsgedanken, denn schließlich bewegt man bei einer solchen Aktion nur den Arm und nicht den ganzen Körper. Ähnlich nahe an der Realität wie die Physik wurden auch die Rätsel gestaltet. Anders als in gewöhnlichen Adventuregames, sammelt man nicht Massen an Zeugs auf, in der Hoffnung, es irgendwann einmal gebrauchen zu können oder um sie mit allen möglichen anderen Items zu verbinden, um neue Gegenstände zu erhalten. In "Penumbra: Black Plague" kümmert man sich um Probleme erst dann, wenn sie auch wirklich auftreten. Alte Adventure-Hasen werden eventuell Schwierigkeiten damit haben, dass man zum Beispiel eine verschlossene Tür eben nicht dadurch überwindet, dass man minutenlang durch die Gänge läuft und nach Luftschächten oder Türöffnern sucht. Meistens liegt die Lösung für ein derartiges Problem bereits auf der Hand: Man geht zum Schutthaufen an der Ecke, holt einen Stein und haut ihn solange gegen die Tür, bis sie nachgibt. Das ist nicht sehr elegant, aber äußerst realitätsnah. Damit wird rohe Gewalt oft zu einem Hilfsmittel erster Wahl, ermöglicht natürlich erst durch die eben schon beschriebene lebensnahe Physik. Die körperliche Gewalt, die Philipp ausübt, richtet sich aber nur gegen Gegenstände und seine Umwelt. Sobald der Held auf Feinde trifft - im Spiel sind das die mit der Pest infizierten ehemaligen Mitarbeiter der Forschungsanlage, die als zombieartige Gestalten in den Gängen des Komplexes auf und ab marschieren - hat er nur eine Möglichkeit, wenn sie ihn entdecken: Rennen ... und zwar weit weg, denn Philipp nennt im ganzen Spiel keine Waffen sein Eigen, er kann sich nicht verteidigen oder angreifen. Verliert er das Laufduell, so stirbt er. "Penumbra: Black Plague" sieht zwar aus wie ein Ego-Shooter, ist aber keiner. Die Erkenntnis steigt Das lebensnahe Design macht "Penumbra: Black Plague" verdammt gruselig. Dazu kommt, dass die ausgezeichneten Licht- und Schatteneffekte dem Spieler tatsächlich das Gefühl vermitteln, tief in einem gefängnisartigen Untergrund herumzuirren und jederzeit auf einen Infizierten treffen zu können, der dem Spieler dann das Licht endgültig ausknipst. Der Held treibt sich in vielen Bereichen des Komplexes herum und besucht dabei Labors, Wohnbereiche, unterirdische Höhlen und vieles mehr. Die Texturen der einzelnen Räume sind dabei eher zweckmäßig. So sind es rostige Mauern und blutverschmierte Böden, die vorherrschen; wenn man dem Spiel etwas vorwerfen will, dann sind es die etwas leeren Räume. Die Zimmer, aber auch die Labors und Krankenstationen, wirken so, als ob ein Alles-muss-raus-Verkauf stattgefunden hat und nur die wirklich stark verschmutzten Möbel übriggeblieben sind. Deswegen entsteht der Eindruck, dass die Entwickler ruhig ein paar Euro mehr in die Inneneinrichtung hätten investieren sollen. Letztlich wird diese Kargheit aber durch das Spiel mit dem Licht mehr als ausgeglichen und Schockeffekte sorgen für die Konzentration auf das Wesentliche: am Leben bleiben. Besitzern einer ATI-Grafikkarte sei noch ans Herz gelegt, auf jeden Fall den Patch zu installieren, denn ohne diesen kann das Spiel schnell zum Frust werden. Unberührt davon bleibt aber der fantastische Sound. Das ganze Spiel findet im Dunkeln oder aber im Halbschatten statt. Wäre es anders, dann hätten auch die Namensgeber ihren Beruf verfehlt. Penumbra ist schließlich das lateinische Wort für Halbschatten. Die Dunkelheit allein ist es aber nicht, die die Faszination des Spiels ausmacht, sondern die Soundkulisse. Nicht zu Unrecht wird der Spieler zu Beginn der virtuellen Reise aufgefordert, alle anderen Geräuschquellen abzuschalten, die Fenster zu verschließen und die Rollladen herunterzulassen, dafür dann aber die Lautsprecher des Computers hochzudrehen. Und diese Vorgehensweise sei auch jedem Käufer des Spiels empfohlen, denn dann wird jenes Szenario erzeugt, das ein Horrorfan als atmosphärisch und ein Angsthase als Furcht einflößend bezeichnen würde. "Penumbra: Black Plague" lebt wirklich zu einem großen Teil von seinen Soundeffekten, den ausgezeichneten Hintergrundmelodien und nicht zuletzt auch von den sehr guten englischen Originalsprechern, die vor allem dann zu hören sind, wenn Philipp mit der einzigen anderen "normalen" Person spricht oder wenn der in ihm wohnende Virus über den Sinn des Lebens spricht. Wer dieser Lobhudelei nicht glaubt, der soll es einmal ausprobieren: Erst das Game unter den oben genannten Bedingungen spielen und dann bei Helligkeit mit laufendem Radio. Es ist dann ein ganz anderes Spiel. Wir kommen "auf den Trichter" Im Vergleich zu seinem Vorgänger "Overture" steht "Black Plague" gut da. Die beiden großen Problemkreise "Kampf" und "Schleichen" wurden als strategische Mittel fast komplett gestrichen. So ist es jetzt nicht mehr nötig, sich gegen umherstreunende Wachhunde zu verteidigen oder mit der Axt auf irgendwelche Schädel einzuschlagen. Vor allem das Weglassen der Hunde war eine gute Idee, so hatte man doch im ersten Teil oft nur die Wahl, sich gegen die viel stärkeren Köter zu verteidigen oder ihnen zu enteilen, um dann gleich an der nächsten Ecke einem Infizierten in die leblosen, aber brutal zuschlagenden Arme zu laufen. In "Black Plague" muss man nur vor den Infizierten weglaufen und hat auch eine sehr gute Chance, dass Fliehen gleichbedeutend mit Überleben ist und man sich dann wieder auf das Lösen von Rätseln sowie das Gruseln beschränken kann. Wenn jemand sagt: "Penumbra: Black Plague" ist ein Ego-Shooter ohne das Schießen, dann liegt er gar nicht so falsch. Natürlich ist das Game kein Actionspiel, sondern ein Adventure. Aber mir als jemandem, der eigentlich nur Ego-Shooter zockt, hat das Spiel wegen seiner großen Nähe zum FPS sehr gut gefallen. Der Realismus, der exzellente Sound sowie die packende Story haben mir viele amüsante, aber auch mit Schockeffekten angefüllte Stunden bereitet. Ebenfalls die tolle Physikengine und das Wii-artige Greifen nach Objekten können begeistern. Also, ich fand es klasse! (11.03.2008)
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