Family Guy (PS2) (Take2) geschrieben von Nico Meißner
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Völlig unangemessen auf einen spätnächtlichen Sendeplatz verbannt, fristete die amerikanische Zeichentrickserie "Family Guy" in Deutschland ein kurzes und trauriges Dasein. In den USA hingegen ist die TV-Show fast so bekannt wie die Simpsons. Das nahm High-Voltage zum Anlass, unter maßgeblicher Mitarbeit der "Family Guy"-Macher um Seth McFarlane ein Spiel zur Serie zu entwickeln. Ob es gelungen ist, den unvergleichlichen Stil und Humor des animierten Vorbilds für die Konsole zu adaptieren, hat DLH.net für euch herausgefunden mehr dazu nach der Werbung We are Family! Für alle, die die Griffins noch nicht kennen, sei hier kurz das Nötigste rekapituliert: Die Familie besteht aus dem Elternpaar, Brüderchen und Schwesterchen, einem Baby und einem Hund. Allerdings täuscht die typische Struktur, die Griffins sind alles andere als normal. Peter, der Familienvater, ist freundlich formuliert ein fetter Volltrottel, der laufend bizarre Ideen und sehr eigene Ansichten hat. Seine Frau, Louis, bildet eigentlich den ruhenden Pol der Vernunft. Doch auch bei ihr brodelt es, dank der Umtriebe der anderen, gelegentlich unter der Oberfläche, und der alltägliche Wahnsinn bricht durch. Die Kinder sind Chris, Megan und Stewie. Während der korpulente Chris und die unpopuläre Meg mit den typischen Problemen eines Teenagers kämpfen, hat Stewie ganz andere Hürden zu nehmen: Denn bei ihm handelt es sich um ein diabolisches Genie, das, mit britischem Englisch und in gehobener Sprache fluchend, neben der Eliminierung seiner Mutter, nach der Weltherrschaft strebt. Und dann ist da noch Brian, der Hund der Familie. Auch er kann wie Stewie reden und ist ein intellektueller Liberaler mit einem Hang zu schönen Frauen und dem Alkohol. Als spielbare Charaktere stehen allerdings nur Stewie, Peter und Brian zur Verfügung, wobei der Spieler die meiste Zeit mit dem bösen Baby unterwegs ist. Denn die Handlung besteht wie so oft in den Folgen der Serie aus drei Strängen, einen für jede Figur. So übernimmt der Spieler abwechselnd einen der Charaktere, deren Abschnitte sich optisch als auch spielerisch stark voneinander unterscheiden. Die Handlungsstränge überschneiden sich mehr oder weniger und münden schließlich in einem Finale. Zu Beginn leitet ein kleines Video die ganze Geschichte ein: Stewies Plan, mithilfe von Peters Satellitenschüssel seine Gedanken beherrschenden Befehle über die Welt zu verteilen, wird jäh durchkreuzt, als Bertram, sein böser Zwilling, auftaucht. Der ist mit einer Flotte von Kampfhubschraubern und einer Horde kochtopfbehelmter Helfer aufgetaucht, um die Schüssel zu stehlen. So etwas lässt sich Stewie natürlich nicht bieten und zückt sofort seine Ray Gun (Strahlenpistole), um das gegnerische Treiben draußen zu unterbinden. An dieser Stelle übernimmt der Spieler die Kontrolle über den kleinen Teufel. Das Spiel präsentiert sich dabei komplett in seriengewohntem Comic-Look. Stewies Abschnitte bestehen immer aus Jump ´n´ Run- und Baller-Elementen. Man lenkt den Racker mittels Analogstick, neben Sprung und Doppel-Sprung gibt es noch den "Ballon Float" und die Funktionen der Ray Gun. Beim "Ballon Float" gleitet Stewie mit nach kurzer Zeit zerplatzenden Luftballons noch ein ganzes Stück aus dem Sprung. Die schon angesprochene Ray Gun beinhaltet mehrere Optionen: Außer dem Standard-Schuss steht noch der dreigeteilte Power-Schuss zur Verfügung. Weiterhin werden, durch das Einsammeln von in den Levels verteilten Bauteilen, Upgrades für die Waffe freigeschaltet. Und diese sind auch bitter nötig, denn die vielfältigen Gegner treten natürlich immer in Horden auf. Gleich am Anfang muss Stewie sich erstmal durch Bertrams Handlanger vorm Haus kämpfen, bis er schließlich am Ende der Straße zu einem Haken kommt. Dieser Haken, der eigentlich eher ein Ring ist, ermöglicht, an einem Baum befestigt, den Aufstieg aufs Hausdach. Denn Stewie hat extra für seine Seilpistole überall solche Haken, äh ... Ringe, anbringen lassen, wie das folgende Mini-Game erklärt. Denn der für "Family Guy" charakteristische, kurz eingeschobene Rückblick hat seinen Weg in interaktiver Form auch ins Spiel gefunden: Eine kleine Anekdote zu diesem und jenem, für gewöhnlich mit einem "That was more ... than that one time when I ..." eingeleitet, führt jedes Mal zu einem der simplen Kurz-Spiele, deren erfolgreiches Absolvieren mit ein paar Bauteilen belohnt wird. Nachdem unser kompromissloses Kleinkind alle Gegner auf den Dächern erledigt und schließlich Bertram erreicht hat, folgt die nächste Zwischensequenz. Denn da Stewie die Schüssel lieber zerstört, als sie seinem größten Widersacher in die Hände fallen zu lassen, hat der hinterhältige Bertram sein wahres Ziel erreicht, wie sich nun herausstellt. Daher gilt es jetzt, seine Weltherrschaftspläne zu vereiteln und da kommt Stewie die Idee: Mithilfe des großen Peters, der, von den Trümmern der Satellitenschüssel getroffen, gerade ins Krankenhaus abtransportiert wird, will er Bertrams Hauptquartier in Schutt und Asche legen. Nun beginnt also der Rachefeldzug Stewies, in den die anderen Charaktere mehr oder weniger direkt verwickelt werden. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf den Jump ´n´ Run-Elementen, die durch die abwechslungsreichen Schauplätze und den steigenden Schwierigkeitsgrad so schnell nicht langweilig werden. Allerdings unterhält das Spiel vor allem auch durch seine abgedrehten Ideen und den "Family Guy"-Humor: Zuerst seien die verschiedenen, teils wirklich bizarren Locations mit wechselnder Optik und ihren unterschiedlichen Gegebenheiten und Modalitäten erwähnt. Vom Haus der Griffins über eine homoerotisch angehauchte Gefängnisdusche bis zum Inneren von Peters Körper erstreckt sich das Angebot doch es sei nicht zu viel verraten. Auch die unzähligen Anspielungen auf Ereignisse und Figuren der Serie begeistern den Fan, ebenso die vielen Kleinigkeiten wie zum Beispiel ein Sehtest-Plakat mit der Aufschrift "I C A N T R E A D ...". Oder eine Zwischensequenz, in der Brian in einer Zeitung von einer Tastenkombination liest, die eine versteckte Nacktszene im Spiel freischalten soll um dann nach kurzer Pause mit der nächsten Schlagzeile fortzufahren: Notgeile Videospieler glauben alles. Oder der Tod, der als skelettierter Sensenmann drängt, er habe "einen Zeitplan einzuhalten". Oder ... Aber apropos Brian ... Who let the Dog out?! Während Stewie Peter ins Krankenhaus folgt, gerät Brian in eine ganz andere Situation: Louis´ Vater, Mr. Pewterschmidt, beschuldigt ihn nämlich, sich abermals an seiner Hündin Seabreeze vergangen zu haben. Deshalb landet Brian erstmal im Knast! Nun muss der Spieler bei seiner folgenden Flucht behilflich sein. Dazu steuert er Brian mit dem Analogstick möglichst unentdeckt von Schatten zu Schatten Sam Fischer lässt grüßen , um erstmal aus dem Gefängnis zu entwischen und sich anschließend auf der Suche nach entlastenden Beweisen im Polizeirevier etwas umzusehen. Dabei schleicht oder krabbelt der Spieler mit dem Hund zwischen und unter Tischen entlang, immer darauf bedacht, nicht von den, na ja, sagen wir mal wachsamen Augen der Cops erblickt zu werden. Die Levels bestehen so meist nur aus einem großen Raum, wobei man isometrisch auf das Geschehen blickt. Später eröffnet sich noch des Öfteren die Möglichkeit, durch verschiedene Verkleidungen (Cheerleader, Stehlampe ...) auch unbehelligt herumzulaufen oder nach erfolgreich bestrittenen Mini-Games für kurze Zeit unsichtbar zu werden. Insgesamt stellen die Spielabschnitte Brians allerdings sowohl vom Schwierigkeitsgrad als auch vom Spielprinzip und -ablauf her den einfachsten Teil von "Family Guy" dar. Everybody is Kung Fu-Fighting! Wie schon erwähnt, landet Peter ziemlich am Anfang des Spiels im Krankenhaus. Als er erwacht, beherrscht ihn die paranoide Wahnvorstellung, Mr. Belvadere eine Sitcom-Figur habe seine gesamte Familie entführt. Daher ist es natürlich seine Pflicht als Vater, sie zu befreien und Mr. Belvadere mal eine ganz gehörige Abreibung zu verpassen. Also macht er sich auf den Weg und greift wahllos Passanten an, da er sie für Schergen Belvaderes hält. Das Ganze sieht dann wie ein altes Beat ´em Up-Spiel á la "Double Dragon" aus und spielt sich praktisch auch so. Denn während der Spieler Peter wiederum per Analogstick lenkt, teilt er mit Quadrat Schläge und mit Kreis Tritte aus; Dreieck ist die Sprungtaste. Aus den Angriffen lassen sich auch Kombos bilden, die zum Teil neue Moves ergeben: So führt Peter zum Beispiel mit Quadrat, Kreis, Quadrat einen Kopfstoß aus. Da sich die Passanten, von der Oma bis zum Kind, aber alle zu wehren wissen und bald auch Polizisten in voller Montur auflaufen, hat Peter prompt alle Hände und Füße voll zu tun. Damit es nicht zu einfach wird, sind "die Bösen" je nach Typ gegen eine der beiden Angriffsarten immun, bis hin zu besonders mächtigen Gegnern, die nur durch Special-Moves besiegt werden können. Um solche Special-Moves wie zum Beispiel den Headspin ausführen zu können, benötigt Peter genügend Nahrungsmittel, die seine "Food Frenzy"-Leiste auffüllen. Solche Snacks finden sich, genau wie neue Lebensenergie, unter Autos, Tischen und anderem Mobiliar wobei man auch viele Gegenstände aufnehmen und als Wurfgeschosse verwenden kann, zum Beispiel Mülltonnen oder Briefkästen. So prügelt Peter sich durch verschiedene Schauplätze und erlernt mehr Moves mit der Zeit, allerdings ist das nicht immer so einfach und bietet nur bedingt viel Abwechslung. Evil Voices - Technik In Sachen Technik muss man High-Voltage wohl gratulieren: Erst einmal ist es ihnen gelungen, eine Comicserie sehr gut in ein Spiel umzusetzen. Die Cell-Shade-Grafik gleicht praktisch der Optik der Serie, lediglich bei einigen Zwischensequenzen wirkt die Dreidimensionalität ein bisschen eigenartig. Zwar ist die Grafik recht schlicht, doch wurde trotzdem auf reichliche Details geachtet. Ein paar der Jump ´n´ Run-Stellen gestalten sich etwas kniffliger, da die Winkel nicht immer klar ersichtlich sind. Hierbei spielt allerdings auch die Steuerung eine Rolle: Leider ist sie wie so oft auf der Playstation recht schwammig, vor allem, wenn es darum geht, die Figur exakt zu drehen. Ansonsten gibt es diesbezüglich nichts auszusetzen; das gleiche gilt für die Kamera. Sie ist zwar bedauerlicherweise nicht dreh- oder zoombar, dafür fällt sie nicht unangenehm auf und lässt sich zumindest ansatzweise nach links und rechts bewegen. Nun zum großen Plus von "Family Guy", dem Sound. Dass durch die Mitarbeit von Seth MacFarlane und seinem Team ja die Macher der Serie mit an Board waren, merkt man spätestens an den Stimmen. Denn es handelt sich natürlich um die Originalsprecher. Über die gesamten Zwischensequenzen, Kommentare der Figuren während des Spiels und andere Sprüche (zum Beispiel Durchsagen im Krankenhaus) entfaltet sich die "Family Guy"-Atmosphäre erst richtig. Allein Stewies Stimme und Ausdrucksweise sind unnachahmlich, was wohl auch ein Grund dafür sein dürfte, warum das Spiel nicht lokalisiert, sondern komplett in englischer Sprache belassen wurde. Die abwechslungsreiche Musik untermalt das Geschehen größtenteils sehr gut nicht zu aufdringlich, aber auch nicht zu nervtötend. Fazit Rückblickend muss ich sagen, das Spiel erinnert mich an das eine Mal, als ich dieses "Simpsons Hit & Run" gespielt habe. Denn auch dort wurde ein Spiel zur Serie vom Stil und Humor her nicht schlecht umgesetzt, krankte aber leider an seinem etwas zu eintönigen Spielprinzip. Nun, bei "Family Guy" verhält es sich ganz ähnlich: Zwar ist die Umsetzung des politisch völlig unkorrekten, abgedrehten Humors und der ganzen "Family Guy"-Atmosphäre durch viele Kleinigkeiten und die Stimmen ausgezeichnet gelungen; doch leider gelingt es dem Spiel nicht, die drei verwendeten Genres mit genügend Substanz zu füllen. Während Stewies Parts noch ziemlich anspruchsvoll und abwechslungsreich sind, erweisen sich die anderen Abschnitte bald als sehr simpel. Allerdings stimmt dafür das Verhältnis von Spieldauer und Kaufpreis für ein PS2-Spiel wieder. So kann man sagen, dass "Family Guy" für Freunde der englischen Sprache und des direkten, aber dennoch geistreichen Humors sicher einen Blick wert ist, während Fans getrost zugreifen können. Alle anderen sollten es sich vorher genau überlegen, sonst heißt es am Ende: "Das war noch enttäuschender, als das eine Mal, als ich 'Hit & Run' gekauft habe ..." (21.02.2007) |