Runaway 2 (Anaconda) geschrieben von Christian Graser
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Im Jahr 2002 erwachte das bereits tot geglaubte Genre der Adventures wieder zu neuem Leben. Großen Anteil daran hatte der Titel "Runaway", für den erst nach aufsehenerregender Onlinepetition ein Publisher gefunden wurde. Doch das Engagement hat sich für dtp gelohnt: Das Spiel eroberte mit den beiden Hauptdarstellern, dem Physikstudenten Brian Basco und der Ex-Stripperin Gina Timmins, über Nacht die Herzen der Fans. Jetzt endlich ist der Nachfolger erschienen - hoffentlich müssen wir auf den nächsten Teil nicht ganz so lange warten. Sommer, Sonne, Strand und Meer ... ... der Urlaub könnte so schön sein, wenn da nicht die Kultur wäre. Während Brian gern den ganzen Tag faulenzen würde, zieht es Gina lieber zu den sagenumwobenen Tiki-Tempeln der kleinen Insel Mala. Es kommt, wie es kommen muss: Der altersschwache Pilot verstirbt auf dem Flug zum Eiland, Brian schnallt seiner Freundin den einzigen Fallschirm an Bord der klapprigen Maschine um und wirft sie aus dem Flugzeug. Anschließend gelingt ihm eine Bruchlandung im Dschungel, von wo aus er sich auf die Suche nach seinem Mädchen macht - war sie nicht in einen See gefallen? Dass an der Absturzstelle jede Spur des verstorbenen Piloten fehlt, ist nur der Auftakt zu einer Reihe merkwürdiger Begebenheiten, die der Held, der sich vom unauffälligen Physikstudenten zum selbstsicheren Lebemann gemausert hat, gelassen zur Kenntnis nimmt. Fordernde Kopfnüsse "Runaway 2" tritt in jeder Hinsicht in die Fußstapfen seines Vorgängers. Das werden Sie innerhalb weniger Minuten Spielzeit notfalls auf die harte Tour lernen. Gewöhnen Sie sich schon mal daran, die Bildschirme sehr genau nach kleinen Gegenständen abzusuchen, denn oftmals ist gerade ein Nagel oder eine unscheinbare Glasscherbe erforderlich, um die Handlung voranzutreiben. Da die abwechslungsreichen Orte des Geschehens aber allesamt überschaubar sind, artet das nie in Arbeit aus. Brian hat sich außerdem angewöhnt, nicht alles mitzunehmen, was ihm in die Hände fällt, sondern Dinge erst dann einzustecken, wenn er der Meinung ist, sie an anderer Stelle zu benötigen - er sei schließlich kein Spieleredakteur, wie er nebenbei süffisant bemerkt. Die Rätsel sind abwechslungsreich und außerordentlich gut gelungen. Auch wenn die Lösungswege oft nicht sogleich ersichtlich sind, tritt später der bekannte Aha-Effekt ein. Das Spiel versteht es ausgezeichnet, aus einem eigentlich ganz simplen Problem durch zahlreiche Umstände und Gegebenheiten eine lange und fordernde Rätselkette zu bauen. Sie wissen aber zu fast jeder Zeit, was Sie aus welchem Grund tun müssen und was Sie dazu benötigen. Auf der Suche nach Gina verschlägt es Sie im Lauf des Abenteuers beispielsweise nach Alaska, wo Brian mit Hilfe eines Freundes einen Professor aufsuchen will. Der Freund kennt das Passwort für das Tor des Anwesens, ist aber aufgrund des Verzehrs ungenießbarer Beeren in ein Delirium gefallen und muss zu Heilungszwecken rohen Lachs verspeisen. Diesen zu bekommen, sollte eigentlich nicht besonders schwer sein, doch Sie werden dazu unter anderem Weihnachtslieder, Sushi-Zubehör, den abgesägten Kopf eines Pizza-Lieferservice-Maskottchens und eine Stange Geld benötigen. Nach zwei Stunden haben Sie endlich den blöden Fisch und dank des vor Lachen schmerzenden Bauchs auch die Gewissheit, dass das Spiel sehr viel Spaß macht. Humor ist, wenn man trotzdem lacht Ähnlich wie die populären Lucas-Arts-Vorbilder, auf die Sie zahlreiche Anspielungen entdecken können, ist "Runaway 2" ein sehr humorvolles Adventure. Wann immer Sie Aktionen ausführen wollen (beispielsweise an einem Grab eine Schaufel benutzen), erscheint in der Statuszeile nicht einfach der Satz "Benutze Schaufel mit Grab", sondern vielmehr eine passende, häufig witzige Formulierung wie hier etwa "Schände Gräber", was Brian natürlich lautstark ablehnen wird. Insbesondere bei Tätigkeiten, die nicht dem Fortgang der Handlung dienen, sorgt dies für Kurzweil und verhindert Frust, wenn Sie einmal keine andere Möglichkeit sehen, als sämtliche Gegenstände an einer bestimmten Stelle auszuprobieren. Der soeben noch verhinderte Frust tritt aber wahrscheinlich dann doch ein, wenn Sie im fünften Kapitel, dem spielerisch schwächsten Abschnitt, angekommen sind. Hier wartet ein Rätsel auf Sie, für das Sie keinen einzigen Hinweis erhalten und das völlig an den Haaren herbeigezogen wirkt. Sie kommen zwar während des gesamten Spiels oftmals nur dann weiter, wenn Sie mit manchen Personen mehrmals geredet oder bestimmte Aktionen wiederholt hintereinander beziehungsweise in gewisser Reihenfolge absolviert haben, aber stets wird Ihnen anschließend klar, warum Sie so handeln mussten. Lediglich die Geschichte mit der Gabeluhr will überhaupt nicht ins Konzept passen; sie ist aber glücklicherweise eine Ausnahme. Darüber hinaus trüben in dem genannten Kapitel kleine Bugs wie nicht zum Gesprochenen passende Untertitel, die Verwendung falscher Stimmen, Logikfehler in Dialogen und gelegentliche Abstürze den Spielspaß. Hier heißt es aber durchhalten, denn im sechsten und letzten Abschnitt brennt "Runaway 2" nach rund zwölf Stunden Spielzeit nochmals ein Feuerwerk witziger Anspielungen auf alte Genrevertreter und knackiger Rätsel ab. Neue Bekannte und alte Freunde Der erste Teil war vor vier Jahren im Stil eines Roadmovies gehalten und auch im Nachfolger erinnern nicht nur die vermutlich längsten Zwischensequenzen der Adventure-Geschichte an einen Film. Auch die unterhaltsamen Dialoge sind zum Teil sehr ausführlich geworden, lassen sich aber durch gezieltes Fragen erheblich beschleunigen. Lobenswert ist die Neuerung, dass Brian oder der Gesprächspartner am Ende einer Unterhaltung die wichtigsten Inhalte knapp in einem Satz resümiert, damit Sie stets wissen, was zu tun ist. Dieses Beispiel sollte Schule machen. Die Charaktere in "Runaway 2" scheinen alle eine kleine oder größere Macke zu haben, aber genau das macht sie so einzigartig und liebenswert. Die freizügige Lokelani, die mehr Exfreunde zu haben scheint als Brian Haare auf dem Kopf, wird Ihnen ebenso ans Herz wachsen wie die durchgeknallten Surfer-Typen, der wundersame Bärenforscher oder die französische Praktikantin Camille. Und auch die Antagonisten wurden mit liebevollen Marotten versehen und bleiben daher gut in Erinnerung. Während Sie sich über ein Wiedersehen mit alten Freunden wie Sushi, Saturn, Rutger und Co. sicher freuen, gibt es auch zwei unerfreuliche Storymacken: Zum einen ist Gina das ganze Spiel über kaum zu sehen, auch wenn Brian sämtliche Abenteuer nur deshalb erlebt, weil er sie wieder finden will; und zum anderen endet die Geschichte mitten in der Handlung und lässt sehr viele Fragen unbeantwortet. Zwar ist Teil drei bereits angekündigt, aber vermutlich werden Sie länger als ein Jahr warten müssen, bevor Sie erfahren, wie es mit Gina und Brian weitergeht Technisch erste Sahne Auch klassische 2D-Point-and-Click-Adventures können modern und hübsch aussehen, wie "Runaway 2" beweist. Das Spiel besitzt durch den Comicstil, der sich in den entsprechend konturierten und leicht verzerrten, aber dennoch sehr detaillierten Hintergrundzeichnungen und geshadeten 3D-Figuren wiederfindet, einen ganz eigenen Charme, der zu gefallen weiß. Die Örtlichkeiten sind abwechslungsreich, wirken stellenweise aber etwas detailarm. In den zahlreichen Zwischensequenzen scheint die Bildqualität etwas vermindert zu sein, was aber durch die vielfältigen Animationen der Charaktere ausgeglichen wird. Viele Genrevertreter blenden aus oder schneiden Szenen, wenn der Protagonist komplexere Bewegungen ausführt; Brian dagegen ist immer im Bild und sehr aktiv. Der Trend, bei Adventures durchweg auf professionelle Synchronsprecher zu setzen, wird hier fortgeführt. Zusätzlich verfügen alle Charaktere über einen eigenen Sprachstil, der das Zuhören mitunter etwas erschwert, aber den Figuren noch mehr Leben einhaucht. Insbesondere Dialoge mit gewissen Hanfkonsumenten oder verwirrten Wissenschaftlern werden so schnell anstrengend, aber auch lange in positiver Erinnerung bleiben. Soundeffekte sind zwar spärlich gesät, dafür verwöhnt aber die tolle Hintergrundmusik erneut Ihre Ohren.
Minimale - Windows 98/ME/2000/XP - Pentium III 1,2 GHz (oder vergleichbarer AMD) - 128 MB RAM - DirectX 9-kompatible Grafikkarte - DVD-Laufwerk - 2,5 GB freier Festplattenspeicher - Soundkarte (DirectX-kompatibel)
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