NHL 07 (EA Sports) geschrieben von Roland Kindermann
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Ein Spiel hat 60 Minuten, der Puck ist flach und vor dem Spiel ist nach dem Spiel. Wer sich jetzt nicht wundert, ist wahrscheinlich Eishockey-Fan und somit ein potenzieller "NHL 07" Käufer. "NHL 07" ist der 15. Teil der seit 1991 mit Ausnahme von 1992 jährlich erschienenen NHL Serie. Auch dieses Jahr wieder übernimmt der Spieler die Kontrolle über ein Team aus der namengebenden nordamerikanischen Eishockeyliga NHL, der deutschen DEL, der tschechischen Extraliga oder der finnischen SM-liiga. Auch 21 Nationalmannschaften und der Hockey Club Davos stehen zur Verfügung. Wer seinen Lieblingsklub trotzdem vermisst, darf ihn und sogar die einzelnen Spieler selbst erstellen. Dabei stehen viele Optionen zur Verfügung - von der Wangenbreite bis zum Bart des Spielers kann alles eingestellt werden, sodass es durchaus möglich ist, einen Spieler zu erzeugen, der einer realen Person ähnelt. Zwei-Stick-Steuerung Grundsätzlich funktioniert "NHL 07" wie andere Sportspiele auch: Idealerweise mit dem linken Analogstick eines Gamepads steuert man einen Spieler der eigenen Mannschaft; mit den Buttons löst man verschiedene Aktionen wie beispielsweise einen Torschuss aus. Seit 2000 die Playstation 2 mit zwei Analogsticks auf dem Gamepad erschien, versucht EA Sports, auch den rechten sinnvoll in Sportspielen zu nutzen. Dieses Jahr wird er in "NHL 07" in der Offensive verwendet, um einen Pass zu spielen. Man braucht ihn nur leicht in die Richtung eines Mitspielers anzutippen und schon erhält dieser den Puck. Das ist für NHL-Veteranen ein wenig ungewohnt, funktioniert aber gut und ist auch sinnvoll. Pässe lassen sich so noch einen Tick schneller und genauer spielen als mit dem alten System. Auch in der Defensive ist der rechte Analogstick wichtig - hier wird er genutzt, um dem Gegner den Puck abzunehmen. Wer sich mit der neuen Steuerung nicht anfreunden kann, darf auch weiterhin klassisch mit einem Button passen und den Puck klauen. Wer mit der Tastatur oder einem falschen Gamepad steuert, muss zwingend das alte System verwenden, da "NHL 07" ärgerlicherweise auf manchen Gamepads die Achsen des rechten Sticks falsch erkennt. Wer mit einem solchen Pad nach rechts passen will, muss ihn dann beispielsweise nach oben drücken - unspielbar. Anders als die Buttons können die Achsen des Pads nicht umbelegt werden. Wahlweise auch ohne Torwart Wer will, darf beim Torschuss selbst zielen. Anfänger werden damit allerdings wohl überfordert sein - wer seinen Spieler während des Zielens aus den Augen verliert, kommt oft gar nicht erst zum Schuss. Außerdem arbeitet auch die Automatik sehr effizient, so dass nur Profis einen Vorteil durch das manuelle Zielen haben. Ebenfalls höchstens für Profis interessant ist die Open Ice-Steuerung. Sie ermöglicht es, in der Offensive einen anderen als den puckführenden Spieler zu steuern. Der wird dann von der KI übernommen. In der Theorie bringt man den so gesteuerten Spieler dann in eine gute Position und lässt sich per Knopfdruck in Szene setzen. In der Praxis agiert die KI aber viel zu eigenständig. Statt den Puck einfach zu halten, passt sie oft oder wagt gar einen Torschuss - beides bricht die Open Ice-Steuerung sofort ab. Deshalb fällt es schwer, sie sinnvoll zu nutzen. Wer ein Gamepad mit ausreichend vielen Tasten hat, darf sogar Offensiv- und Defensivtaktik umstellen, ohne das Menü zu öffnen. Auch während einer Spielunterbrechung, beispielsweise nach einem Abseits, darf man die Strategie wechseln, dann allerdings mit dem linken Analogstick. Ärgerlicherweise passiert das oft aus Versehen, nämlich dann, wenn man den Stick nicht schnell genug loslässt. Ebenfalls per Tastendruck lässt sich der Torwart durch einen Feldspieler ersetzen, um kurz vor Schluss noch in Überzahl einen knappen Rückstand auszugleichen. Dann sollte man tunlichst den Puck in den eigenen Reihen halten, da ohne Torwart fast jeder Fernschuss des Gegners zum Erfolg führt. Phasen, in denen eine Mannschaft mit sechs Feldspielern operiert, gehören zum Spannendsten, was "NHL 07" zu bieten hat. Lustlose Defensive Besonders wichtig bei einem Sportspiel ist die künstliche Intelligenz - schließlich steuert sie im Einzelspielermodus elf der zwölf Spieler. Das funktioniert grundsätzlich auch recht gut. In der Offensive handelt die KI klug und greift aggressiv an. Weniger intelligent geht sie in der Defensive vor. Die Manndeckung funktioniert zwar einigermaßen, aber die Spieler agieren viel zu passiv. Während das bei den eigenen Teamkameraden nicht weiter schlimm ist, sofern man selbst genug Druck macht, lassen die Gegner dem Spieler zu viel Freiraum, so dass Alleingänge viel zu einfach sind. Besonders nach dem Face-Off am Mittelpunkt lassen sich auch auf höheren Schwierigkeitsgraden mühelos in Einzelaktionen Tore schießen. Ebenso einfach punktet man, wenn man in Tornähe nach einem Querpass direkt schießt. Dieser Trick ist bereits aus den letzten Folgen der NHL-Serie bekannt und funktioniert immer noch. Schade: Wer wirklich effizient spielen will, muss sich weitgehend auf diese auf Dauer etwas eintönige Variante beschränken Physik statt Magnet-Puck Wesentlich realistischer als im Vorjahr ist die neue, überarbeitete Puckphysik. Sie lässt den Puck auch manchmal am Pfosten landen oder vom Spieler abprallen, wenn er zu schnell ist, um unter Kontrolle gebracht zu werden. Ein kleines bisschen schummelt "NHL 07" allerdings noch: Wenn ein Spieler schießt und der Puck in einer dafür ungünstigen Position ist, ändert er schon mal grundlos die Richtung und legt sich selbstständig vor den Schläger. Das sieht man aber nur in der Wiederholung oder in der Action-Kameraperspektive. Diese ist allerdings kaum sinnvoll einzusetzen, da sie sich viel zu nah am Geschehen befindet. Alle anderen Perspektiven besitzen spezifische Vor- und Nachteile. So kann man mit der Standard-Ansicht den Puck dann nicht mehr sehen, wenn er nah an der unteren Bande ist. Die "klassische Kamera" hat dieses Problem zwar nicht, dafür ist es mit ihr aber schwieriger, dem Gegner den Puck abzunehmen oder manuell zu zielen. Dank einer ausreichenden Auswahl an Perspektiven sollte aber jeder eine seinen Vorlieben entsprechende Kamera finden. Trotz lebensnaher Physik ist "NHL 07" weniger Eishockey-Simulation als actionreiches Arcade-Sportspiel. Das liegt vor allem an der unrealistisch hohen Spielgeschwindigkeit. Eigentümererwartungen und Trainerprofile Wer nicht damit ausgelastet ist, seine Mannschaft auf dem Eis zum Sieg zu führen, darf im Dynastie Modus auch zwischen den Spielen die Trainerfunktion übernehmen. Dabei muss er beispielsweise den Trainingsplan festlegen, sich um Nachwuchs kümmern oder neue Verträge aushandeln. Wie das genau funktioniert, muss der Spieler allerdings selbst herausfinden. Weder das Handbuch noch das Spiel erläutern beispielsweise, ob sich das Training nur auf die folgende Partie oder dauerhaft auf die Spielerwerte auswirkt. Nette Idee: Neben einem guten Tabellenplatz sind vor allem die Erwartungen des Club-Eigentümers wichtig. Sie hängen davon ab, wie gut das Team ist - Eigentümer einer Top-Mannschaft erwarten mehr als Besitzer einer Gurkentruppe. Neben einer Vorgabe für die Saison gibt es auch für jedes Spiel eine zu erfüllende Aufgabe. Vor der Karriere darf man sich ein Profil aussuchen. Jede Auswahl bringt dabei einen Vor- und einen Nachteil mit sich. An einen "Verwaltungsprüfer" beispielsweise stellt der Eigentümer geringere Erwartungen - dafür vertraut er ihm zu Beginn aber auch nicht. Zum Managerspiel wird "NHL 07" im Übrigen auch im Dynastie-Modus nicht - Profis machen auf dem Eis selbst eklatantes Missmanagement wett. Wer will, darf sich natürlich auch auf das Wesentliche konzentrieren und einfach nur eine Saison mit seinem Lieblingsteam spielen, ohne sich um Training und Co. zu kümmern. Wie's funktioniert, müssen Sie schon selbst herausfinden ... Kaum ein Spiel kommt heutzutage noch ohne Tutorial aus. Selbst bei den simpelsten Ballerspielen erläutern zumindest Texteinblendungen die grundlegenden Funktionen. Um so unverständlicher: "NHL 07" verzichtet fast vollständig auf Erklärungen. Das knappe Handbuch richtet sich offensichtlich hauptsächlich an "NHL 06"-Besitzer und beschreibt fast nur die Neuerungen. Im Spiel darf man erst recht keine Erläuterungen erwarten. So müssen Anfänger beispielsweise selbst herausfinden, wie ein Face-Off funktioniert. Auch die Eishockeyregeln, die den meisten Deutschen wahrscheinlich nicht geläufig sind, werden nicht erläutert. Zumindest für diese gibt es allerdings gute Quellen im Internet. Anfängerfreundlicher ist da schon der ausgesprochen einfache unterste Schwierigkeitsgrad, der auch Einsteigern schnelle Erfolgserlebnisse und Raum zum Ausprobieren bietet. Online kostet extra Sportspiele sind Multiplayerspiele. Auch "NHL 07" ist hier keine Ausnahme. Wer genügend Gamepads besitzt, darf mit bis zu vier Teilnehmern auf einmal an einem Rechner spielen. In einer Saison können sogar bis zu 30 Leute, die dann abwechselnd an der Reihe sind, je eine Mannschaft übernehmen. Das empfiehlt sich aber bei Wartezeiten von bis zu sieben Stunden zwischen den Spielen nur für besonders Geduldige. Natürlich kann "NHL 07" auch online oder im LAN gespielt werden. Unverschämt: Wer online nicht nur per Direct-IP spielen will, muss eine Gebühr bezahlen oder sich Werbung zuschicken lassen. Bei der Konkurrenz ist es eine Selbstverständlichkeit, dass jeder, der 55 Euro für ein Spiel mit Multiplayermodus ausgibt, dann auch uneingeschränkt online spielen darf. Stadionatmosphäre Die Präsentation von "NHL 07" stagniert auf hohem Niveau. Weder bei der Grafik noch beim Sound hat sich seit dem letzten Jahr viel getan. Das ist nicht weiter schlimm, weil sich beides noch immer sehen beziehungsweise hören lassen kann, ist aber ein wenig schade, da die XBox 360-Version wesentlich besser aussieht. Auch mit alter Technik wird das Eis aber spektakulär in Szene gesetzt. Schnee spritzt von den Kufen, die Spieler hinterlassen in scharfen Kurven Spuren und das Plexiglas schwankt sichtlich, wenn ein Spieler durch einen Bodycheck gegen die Bande geworfen wird. Die vorderen Reihen auf den Rängen werden von echten 3D Zuschauern bevölkert. Bei jeder Unterbrechung und nach dem Match werden Höhepunkte des aktuellen Spiels fernsehreif wiederholt. Wenn man den Puck in die linke, obere Ecke des Tors schießt, fliegt die dort stehende Wasserflasche des Torwarts durch die Gegend. Gerade solche Details machen "NHL 07" zum Hingucker. Wie bei EA Sports üblich, sind die Menüs leider ein wenig unübersichtlich geraten, vor allem, weil sie nur einen kleinen Teil des Bildschirms nutzen. Sehr realistisch sind die Geräusche. Es gibt sogar originale Fangesänge für jeden Verein. Die Kommentatoren geben interessante Hintergrundinformationen zu ausgewählten Spielern und finden meist treffende Worte für das Geschehen. Manche Sprüche wiederholen sich allerdings zu oft und gehen schnell auf die Nerven. Wer die Kommentare verstehen will, sollte allerdings gut Englisch, Schwedisch, Finnisch oder Tschechisch können - deutsche Kommentare gibt es leider nicht. Auch der Soundtrack kann sich hören lassen - allerdings nur im Menü, denn während des Spiels gibt es grundsätzlich keine Musik. Wer ein Lied nicht mag, darf es sogar deaktivieren. "NHL 07" ist ein gutes Sportspiel und deshalb auch für Eishockey-Neulinge interessant. Das liegt vor allem daran, dass das Spiel wesentlich schneller und actionreicher ist als die in Deutschland erfolgreicheren Fußballspiele. Wer also noch keinen Titel der NHL-Serie gespielt hat, sich aber für Sportspiele erwärmen kann, darf sich "NHL 07" bedenkenlos anschauen. Eishockey-Fans dürften aufgrund des mangelnden Realismus ein wenig pikiert sein, können aber dank der Originallizenzen, der guten Atmosphäre und vor allem mangels Konkurrenz auch zugreifen. "NHL 06"-Besitzer sollten vor allem überlegen, ob sie das neue Passsystem brauchen - erfahrungsgemäß belegt EA Sports den rechten Analogstick nämlich jedes Jahr neu. Wer darauf verzichten kann, darf ruhig auf "NHL 08" warten - dann hoffentlich mit Next-Generation-Grafik. Alle Käufer sollten allerdings anhand der Demo überprüfen, ob "NHL 07" ihr Gamepad unterstützt. Wer "NHL 07" kaufen möchte, aber kein Pad besitzt, sollte sich überlegen, ob er sich nicht gleich eines dazu besorgt, denn die Steuerung mit der Tastatur ist nicht empfehlenswert. Wer online spielen will, aber nicht mit Werbung eines Drittanbieters belästigt werden möchte, sollte sich außerdem bewusst sein, dass das extra kostet. (26.10.2006)
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